Sunday 21 April 2013

Liebe Piraten, liebe Mitleser,


es ist an der Zeit, mich zu äußern. Nach einem Jahr als stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Bielefeld und als gewählter Direktkandidat der Piratenpartei im Wahlkreis 132 Bielefeld – Gütersloh II für die Wahl zum 18. deutschen Bundestag am 22.9.2013 halte ich es für überfällig, dass ich mich erkläre. Ich tue das hiermit etwas umfassender, etwas ausschweifender, als es vielleicht notwendig wäre, vielleicht auch an manchen Stellen etwas sprunghafter, unzusammenhängender als es wünschenswert wäre. Aber ich fühle mich in der Pflicht, zu einigen Dingen Stellung zu beziehen, einige Dinge zu erklären. Ich nutze diese Gelegenheit auch, um über meine Tätigkeit im Vorstand der Piratenpartei Bielefeld zu berichten. Beginnen möchtet ich aber am Anfang meiner "Piratenkarriere" und einem Blick auf die Piratenpartei von heute...

Das Experiment


Ich bin 2011 in die Piratenpartei eingetreten. Nach der Berlin-Wahl bin ich das erste Mal in Bielefeld zum Piraten-Stammtisch gegangen. Dieser Tag hat mein Leben verändert. Vier Wochen später war ich Mitglied, so wie tausende andere die dafür sorgten, dass sich die Mitgliederzahl inzwischen mehr als verdreifacht hat.

Die Piratenpartei hat sich in diesem Prozess verändert. Sie ist nicht mehr die nerdige Ein-Themen-Partei, die sie nie war. Sie ist ein Sammelbecken geworden für alle, die Politik machen wollen, und nicht alle Piraten haben das Grundsatzprogramm gelesen, geschweige denn es gar verinnerlicht (wie ich es von mir in weiten Teilen behaupten würde). Manche beweisen sogar eine erschreckende Ignoranz darin, sich darüber hinweg zu setzen. Welche abstruse Blüten dieses Piraten-Gewächs hervorbringen kann, haben wir in den letzten Monaten erleben dürfen. Trotz allem, der Stamm, die Wurzeln dieser Pflanze names Piratenpartei sind inzwischen stärker geworden.

Der Prozess stabilisiert sich etwas. Tausende von Menschen, die in den letzten 18 Monaten in die Piratenpartei eingetreten sind, haben ihren Platz darin gefunden. Andere sind weiter gezogen. Die Partei ist stärker geworden in der Zahl der Aktiven, und in der Beherrschung der Kommunikation. Die Möglichkeiten der Partei, Informationen und Wissen zu verarbeiten, sind größer als je zuvor. Die Mittel, auf ihrer Basis zu Entscheidungen zu kommen, sind sicherlich nicht so weit wie wir uns das wünschen würden, aber wir arbeiten daran. Gute Dinge brauchen eben manchmal etwas Zeit.

Die Partei ist eigentlich gar keine Partei. Sie ist ein politisches Gehirn welches lernt mit sich selbst zu kommunizieren. Sobald sich die Mechanismen der Kommunikation etabliert haben, wird es seine Aufmerksamkeit nach außen richten. Wir sollten hoffen, dass wir bald so weit sind, denn in ein paar Monaten stehen Wahlen an, und wer möchte wirklich die nächsten vier Jahre wieder von der grauen Melange der etablierten Parteien regiert werden? Wer glaubt, die herrschende Parteienriege könnte allein auf sich gestellt die Wende in diesem Land schaffen, den beneide ich um seine Fantasie.

Nicht dass ich keine Fantasie hätte. Ich stelle mir immer noch vor, ich könnte die Welt verändern. Und irgendwie mach ich das ja auch. Jeden Tag. Stunde um Stunde. Ob ich schlafe, oder wache. So wie wir alle, durch unser Tun oder Nichts-Tun. Aber darauf zu setzen, dass die, die unser Erbe des Sozialstaates zerstört haben, es nun wieder zurückbringen und erneuern, ist aller Wahrscheinlichkeit nach keine gute Investition. In der Risiko-Abwägung, in der Kosten-Nutzen-Schätzung, sollte man Alternativen in Betracht ziehen. Eine Absicherung gegen drohende Verluste. Einen Fuß in der Tür zur Macht, mit dem man, selbst wenn man nicht mitregiert, eine Menge erreichen kann.

Wenn die Piratenpartei in den Bundestag einzieht, wird es nicht lange dauern, bis sie die besseren Gesetzesvorlagen einbringen wird, und dazu in kürzerer Zeit. Bei einem Erfolg der Piratenpartei werden wieder Zehntausende in die Partei eintreten, und sie werden auf Strukturen stoßen, die sich etabliert, die sich bewährt haben. Sie treffen auf Kreisverbände, Arbeitsgruppen, Servicegruppen (was immer man von diesen halten mag), auf Crews, auf eine weiter entwickelte Technik und neue Informationskanäle. Aus Tausenden von Menschen, die schon heute über das Internet in Echtzeit Politik machen, werden Zehntausende.

Wenn es soweit ist, wird die Partei auf neue Probleme stoßen, neue Fehler machen, aber ihre Fähigkeit, aus ihnen zu lernen, wird mit jedem Mal stärker. Und es wird nicht lange dauern, bis sie besser und effizienter arbeitet – in Quantität und Qualität – als die heutigen Volksparteien. Wofür SPD und CDU hunderttausende Mitglieder und Millionen Euro benötigen, wird die Piratenpartei mit weniger Leuten und weniger Geld erreichen. Ganz einfach deshalb, weil jeder mitmachen kann, und jeder dort wirken kann wo er seine Kraft am Sinnvollsten eingesetzt sieht. Die Möglichkeiten der Beteiligung in der Piratenpartei sind nicht einmal im Ansatz vergleichbar mit denen anderer Parteien. Irgendwann, eher früher als später, wird der Punkt kommen, an dem die etablierten Parteien nicht mehr mithalten können – es sei denn, sie passen sich der Piratenpartei an. Die Piratenpartei wird, wenn sie in den Bundestag einzieht, in der Lage sein, die politischen Prozesse aufzubrechen, der Stimme der Bürger wieder einen direkten Zugang zum Parlament zu verschaffen, und ernsthafte Politik 2.0 zu machen. Sie wird, auch wenn sie wohl nicht auf Anhieb regierungsfähig sein wird, das System für ein Update vorbereiten. Sie wird an den Herausforderungen wachsen, das Systems von innen heraus analysieren und Lösungen erarbeiten. Wenn sie dieses Jahr in den Bundestag einziehen sollte, ist es durchaus denkbar, dass sie in vier Jahren zumindest drittstärkste Kraft sein wird.

Natürlich, das ist optimistisch. Es ist bei Weitem nicht sicher, dass sie es in den Bundestag schafft. Sollte sie allerdings scheitern, werden wir mindestens vier weitere Jahre die gleiche, altebekannte, altbackene Eintönigkeit aus den Medien vernehmen. Und so wenig, wie es sicher ist, dass die Piratenpartei im September in den Bundestag einziehen wird, so wenig ist es sicher, dass sie nach einem Erfolg auch wirklich erfolgreich sein wird. Die Piratenpartei ist ein Experiment, dass auch scheitern kann. An sich selbst, oder an ihren Aufgaben (falls es dort einen Unterschied gibt). Aber was ist schon das Risiko dabei? Und was das Potential? Wollen wir – die Bürger dieses Landes - das Experiment wagen? Oder schrecken wir zurück, weil wir lieber darauf hoffen, dass schon alles gut wird wenn wir so weiter machen wie bisher, wenn wir jene weiter machen lassen, die uns schon in der Vergangenheit enttäuscht, manche von uns gar verraten haben? Diese und andere Fragen muss sich wohl jeder von uns stellen.

Die Hoffnung


Ich habe nicht nur einmal geglaubt, eine Partei könnte etwas verändern. Ich hatte die Hoffnung, die SPD könnte die Ära Kohl wie ein dunkles schwarzes Zeitalter erscheinen lassen, aber die SPD zerstörte mit Hartz IV die Reste unserer Solidargemeinschaft. Ich hatte die Hoffnung, die Grünen würden eine friedvolle Politik machen, aber sie waren die Ersten, die deutsche Soldaten in den Krieg schickten. Als ich an die Linke glauben wollte, war mein Zynismus und meine Erfahrung schon so groß, dass ich zwischen ihren Ansprüchen und ihrer Wirklichkeit viel zu große Widersprüche fand.

Manchmal dachte ich sogar schon, ich sollte CDU oder FDP wählen. Die CDU mit einer ostdeutschen, protestantischen Frau an der Spitze und an ihrer Seite ein homosexueller Aussenminister und ein Vizekanzler mit Migrationshintergrund aus der FDP – SPD und Grüne hätten das nicht besser hingekriegt. Und auch ansonsten ist die CDU heute nah an dem, was die SPD vor 20 Jahren mal war – oder bin ich einfach nur älter und konservativer geworden?

Nun ja, Gründe die FDP zu wählen, sehe ich wenige. Obwohl ich einzelnen Personen innerhalb dieser Partei durchaus großen Respekt zolle, insbesondere wenn es um Freiheit und Bürgerrechte geht, so halte ich doch die Macht des Kapitals, welche aus der FDP spricht, für keinen guten Ratgeber in der heutigen Zeit.

Ich setze meine Hoffnung weiterhin, heute mehr denn je, auf die Piraten. Kann ich enttäuscht werden? Sicherlich. Aber soll ich deswegen resignieren? Oder nicht doch lieber versuchen, an der Veränderung mitzuwirken? Auch auf die Gefahr hin, dass meine Hoffnung vergebens ist, und sich das Versagen der Politik in der Piratenpartei ebenso ausbreitet wie in den anderen Parteien, soll ich die Zukunft etwa schon jetzt abschreiben? Die Piratenpartei ist unsere beste Chance, wir sollten sie nutzen. Oder es zumindest versuchen. Versuch macht kluch, sacht man. Und wer es nicht versucht, hat schon verloren.

Die Aufgabe


Ich stehe vor einem Zwiespalt. In der Piratenpartei heisst es "Themen statt Köpfe". Aber ich bin nun ein Kopf. Als Direktkandidat der Partei für diese Bundestagswahl ist es nun einmal meine Aufgabe, ein Kopf der Partei zu sein. Ein Kopf, den die Leute kennen müssen, damit sie wissen, wen sie wählen. Listenkandidaten mögen es da einfacher haben. Sie kriegen ihr Mandat über die Partei. Direktkandidaten bekommen die Stimmen auf ihren Namen. Sie erhalten das Mandat von den Menschen, die sie direkt wählen. Also muss ich den Kopf hinhalten, wenn es darum geht, um Wähler (und Engagement) zu werben. Egal ob mir – oder euch - das gefällt oder nicht.

Das Problem ist: ich werde als Direktkandidat nicht nur die Partei repräsentieren können. Ich werde auch mich selbst präsentieren müssen. Und Position beziehen müssen. Seit meiner Entscheidung, kommunal bei den Piraten aktiv zu werden, habe ich versucht, mich auf Handfestes zu besinnen. Auf Verwaltung, auf Technik, auf Strukturen. Politische Arbeit ist in den Hintergrund gerückt. Mit allen gewollten und ungewollten, mit allen positiven wie negativen Konsequenzen. Ich bin gerne bereit, offensiv für die Partei zu werben, allerdings ebenso mit meinen Worten und meiner Meinung, wie mit denen der Partei. Ich werde diesen Wahlkampf als Person ebenso führen wollen wie als Vertreter der Piratenpartei. Und nun die große und spannende Frage: Wie weit werde ich damit kommen? Werde ich nach dem ersten Shitstorm von Bord gespült (schau ma mal), oder wird mich eine Welle ins Parlament tragen (Wunder geschehen immer wieder ;-) ) ? Vielleicht gehe ich einfach sang- und klanglos unter. Aber egal was passiert, ich habe mich entschieden, dieses Risiko einzugehen und es zu einfach zu tun. Wie gesagt, versuch macht kluch.

Ich möchte mit so vielen Piraten wie möglich in den kommenden Bundetagswahlkampf ziehen. Wir brauchen jede Unterstützung. Ich brauche jede Unterstützung. Auch wenn ihr nicht wissen könnt, auf was ihr euch mit mir eingelassen habt, so kann ich euch versichern, dass ich mein Bestes dafür geben werde, dass die Piratenpartei in Bielefeld mindestens zehn Prozent holt. Aus einem einfachen Grund: Mit zehn Prozent in Bielefeld und NRW wäre Isabelle Sandow, (alte und hoffentlich neue) Vorsitzende des KV Bielefeld und auf Listenplatz 14 in NRW, im Bundestag. Es gibt wenige Menschen, die ich für geeigneter halte, die Ideale der Piratenpartei in konkrete Politik umzusetzen. Zudem steht natürlich außer Frage, dass ich beabsichtige, mich gegen meine Konkurentinnen aus den anderen Parteien durchzusetzen (manchmal ist ein bisschen Realitätsverlust durchaus hilfreich). Projekt 50+ könnte ich meine Kampagne nennen.

Aber genug von der ganzen Politik und dem bevorstehenden Kampf in der Demokratie. Zu meiner Person. Wer ist das, der hier meint, er wolle 50% der Bielefelder Wähler davon überzeugen, ihn als Pirat in den Bundestag zu wählen? Wer ist die Person, die so dreist Unterstützung von Piraten und Wählern fordert? Tja, wo soll ich anfangen...

Was bisher geschah...


Zu erst einmal, was habe ich bei den Piraten bisher gemacht. Ich bin seit meinem Eintritt in die Partei im Oktober 2011 fast immer beim Bielefelder Stammtisch gewesen. Ich habe mich anfangs noch auf der Mailingliste der AG Wirtschaft rumgetrieben, über Geld und die Welt geschrieben, habe dies dann aber zu Gunsten der kommunalen Aktivitäten eingestellt. Etwas, was ich zwar bedaure, aber nicht bereue.

Sehr früh habe ich die Aufgabe des Protokollanten am Stammtisch übernommen. Nicht immer, aber immer öfter. Ich habe das Blog aufgesetzt, hoste es bis heute auf meinem Server, auch wenn ich mich wenig um die Inhalte kümmere. Das haben glücklicherweise andere übernommen. Ich bin ab und zu im Wiki aktiv, auch wenn es mehr sein könnte. Viel zu viel bleibt ungetan an unserer Wiki-Seite. Und ich habe schon vor einiger Zeit, neben Isabelle und einem Ur-Piraten, die Administration der Mailingliste übernommen.

Bei der Kreisverbandsgründung am 22.4.2012 wurde ich zum zweiten Vorsitzenden gewählt und habe seitdem an fast allen Vorstandssitzungen teilgenommen. Im NRW-Wahlkampf war ich regelmßig, wenn auch nicht so häufig und ausdauernd wie andere, am Infostand, habe Plakate auf und später wieder abgehängt, Flyer in Briefkästen gesteckt und mit vielen Menschen gesprochen, die uns, den Piraten, damals offen und freundlich und mit unverhohlener Sympathie entgegentraten.

Seit den Anfängen des Kreisverbandes habe ich zudem Zugriff auf die Mitgliederverwaltung, übernehme (nicht als einziger) die Akkreditierung für kommunale Parteitage und Mitgliederversammlungen. Ein oder zweimal beim Stammtisch, ein paar mal öfter in Vorstandssitzungen, habe ich die Versammlungsleitung übernommen.

Daneben habe ich Zugriff auf den Requestracker, auf das Support-Ticket-System der Piratenpartei für den Bereich Bielefeld, und versuche, alle Anfragen so gut wie möglich zu bearbeiten. Manchmal gelingt das, manchmal nicht. Aber ich denke schon, dass die Erfolgsquote im Laufe der Zeit gestiegen ist, selbst wenn die Datenbasis für eine aussagekräftge Statistik noch zu dürr sein dürfte.

Zu Beginn habe ich mich kurzzeitig im Bielefelder Arbeitkreis "kommunale Transparenz" und etwas länger in der Bielefelder AG Technik engagiert. Der AK kommunale Transparenz ist durch den plötzlichen Landtagswahlkampf zwar inaktiv geworden und hat sich davon niemals erholt, aber er hat schon damals erste Ergebnisse produziert, die es nun zu nutzen gilt. Hinsichtlich der AG Technik bin ich nicht unglücklich darüber, dass sich andere Menschen dieser angenommen haben. Leinwand, Beamer, Kamera, Streaming, ich vermisse es nicht mich darum zu kümmern. Mein ausdrücklicher Dank geht hier an Ralf, der nicht nur für das Streaming auf den jüngsten Veranstaltungen gesorgt hat, sondern in Bielefeld das Freifunknetz mit aufbauen hilft.

Die Vorstandsarbeit bestand im vergangen Jahr zu einem großen Teil aus Verwaltung. Anträge zu Finanzierungen, zu Pressemitteilungen, zur Aufnahme von Mitgliedern, die Bearbeitung von Vorstandsemails und Post, dem Versenden von Einladungen, dem Organisieren von Versammlungen, der Beschaffung von Werbematerialien (um letzteres musste ich mich allerdings nicht kümmern). Der Schatzmeister könnte noch ein ganz eigenes Lied von seiner Arbeit singen. Natürlich, man muss sich nicht um alles kümmern, es sind ja fünf Vorstandsmitglieder, aber man muss sich doch mit allem beschäftigen. Und dabei natürlich nicht zuletzt wieder mit dem Schreiben und Veröffentlichen von Protokollen. Ich hatte mir viel für mein Vorstandsamt vorgenommen, wollte Impulse in die Partei senden, Mitglieder aktivieren, aber letztendlich sind viele von den guten Vorsätzen auf der Strecke geblieben als mich die Realität der Verwaltung eingeholt hat.

Ich war an der Organisation der Kreisparteitage beteiligt, hab die Satzung und Geschäftsordnung des Kreisverbandes mit ausgearbeitet (natürlich wurde viel davon raubmordkopiert), und habe letztes Jahr im November zum ersten Mal einen Bundesparteitag vor Ort erlebt. Wenn auch nur für einen Tag, und nur als Beobachter mit Stimmkarte.

Nach dem Wahlkampf, im Sommer, habe ich mehr oder weniger Pause gemacht. Ich bin seitdem nie wieder so aktiv auf der Mailingliste gewesen wie zuvor. Ich habe das Mumble entdeckt, aber auch dort bin ich leider inzwischen viel zu selten, abgesehen von den wöchentlichen Vorstandstreffen und den Treffen des Bielefelder AK Wirtschaft und Finanzen, der zwar eher ein Schattendasein führt, jedoch bei minimalem Einsatz größtmögliche Ergebnisse hervorzubringen mag. Die Visualisierung des Haushaltes der Stadt Bielefeld ist eines davon. Mein Dank geht hier an Thomas und Katja, die durch ihre Zuverlässigkeit und Beständigkeit das Ganze erst möglich gemacht haben.

Nun also, nach fast 15 Monaten unterschiedlichster Aktivitäten in der Piratenpartei vor Ort, bin ich Direktkandidat für die Bundestagswahl. Ich werde bei den Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag ein Kreuz bei meinem Namen machen können (sofern die Anlage 13 noch rechtzeitig vom Landesvorstand zurück geschickt wird). Hätte man mir das vor wenigen Jahren erzählt, ich hätte laut losgelacht und ihn für verrückt erklärt. Laut loslachen musste ich tatsächlich, aber natürlich bin ich dafür in den Keller gegangen. Denn in der Tat ist die Direktkandidatur die Erfüllung eines Traumes. Eigentlich wollte ich zwar Bundespräsident werden, aber Bundestagsabgeordneter ist für den Anfang auch nicht schlecht, schließlich bin ich für meinen Traumjob noch etwas zu jung. Warum also sollte ich nicht einfach so tun, als könnte ich diese Chance nutzen?

Doch wie soll das gehen? Politische Diskussionen habe ich höchstens im kleinen Kreis geführt. Wofür ich politisch wirklich stehe, habe ich bisher nicht in den Vordergrund gestellt. Bisher habe ich mich fast ausschließlich mit der Administration, oder, wenn man so will, mit der Systempflege und -wartung beschäftigt, nicht mit dem User-Interface, nicht mit der Darstellung, nicht mit der Vermittlung von Inhalten. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum ich als Direktkandidat gewählt wurde.

Ich habe mich in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2012 vor allem über die Mailingliste mit Herrn Robert F. auseinandergesetzt, weil er, zumindest für einen sich der Geschichte bewussten Menschen deutscher Herkunft, unerträgliche Äußerungen von sich gab. Ich habe mich in der Diskussion auf der Mitgliederversammlung hinsichtlich der Unterzeichnung des Aufrufes "Zivilcourage ermöglichen” des "Bielefelder Bündnis gegen Rechts" durch den Kreisverband vehement gegen eine solche ausgesprochen. Nicht weil ich nicht gegen rechts bin, oder für die Ermöglichung von Zivilcourage, sondern weil ich den Aufruf als zu einseitig und zu pauschalisierend empfand, vielleicht auch als zu wütend und rechthaberisch. Welche Auswirkungen meine ablehnenden Worte letztendlich auf die Entscheidung der Mitgliederversammlung hatten, oder ob überhaupt eine, kann ich nicht beurteilen.

Das war aber eigentlich auch schon der öffentliche Teil meiner politischen Statements. Alle anderen sind im kleinen Kreis gefallen, und haben sich höchstens durch Hörensagen verbreitet.

Was mir am Herzen liegt... Geld


Vielen dürfte bekannt sein, dass Geld mein Lieblingsthema ist. Nicht, weil ich es nicht habe, oder nicht genug davon, oder weil ich gerne mehr davon hätte wie wohl fast jeder von uns, sondern weil es die zentrale Achse unseres Wirtschaftslebens ist, weil es im wahrsten Sinne des Wortes zentral darüber bestimmt, wie gut oder schlecht wir leben, weil seine Wirkung auf unsere Lebensumstände viel gravierender ist als die der Politik. Geld ist letztlich das, was den gesamten Kreislauf flüssig laufen lässt, und eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre sollte sein, dass wir sehr genau hinschauen sollten, wo das Geld herkommt, wo es hinfließt, und wie viel davon. Ignoranz, Gott- oder Kanzlervertrauen bringen uns da nicht weiter. Wir müssen selbst das Geld in Augenschein nehmen, wenn wir uns nicht zu seinem Sklaven machen wollen.

Geld ist mein wichtigstes Thema. Ich bin, wie meine Partei, gegen den ESM, weil er ein undemokratisches, intransparentes und möglicherweise verhängnisvolles Geschöpf ist. Er verlängert die Krise, anstatt sie zu beenden, und schwört ganz neue Gefahren herauf. Anstatt einen ernsthaften Schuldenschnitt zu machen, und die Banken in Haftung für ihre eingegangenen Risiken zu nehmen, anstatt einen Marshallplan für den Aufbau der griechischen Wirtschaft zu unterstützen, wurde immer mehr Geld in das Schuldenloch hineingeschüttet, ohne dass dies den Menschen vor Ort irgendeine Hilfe gewesen ist.

Ich weiss nicht, wie ein modernes Finanzsystem, ein dem Menschen dienendes Geldsystem aussehen sollte. Ich habe Ideen und Vorstellungen, ob die jedoch in der Realität funktionieren würden, kann ich nicht sagen. Aber ich weiss, dass es an der Zeit ist, dass wir darüber reden, uns Gedanken machen, Alternativen erörtern, Lösungen prüfen. Es ist an der Zeit, dass wir eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Möglichkeiten der Veränderungen im Finanzsystem führen, denn für eine Veränderung zum Besseren ist es notwendige Voraussetzung, dass wir auf breiter Basis anfangen, Geld und seine Funktionsweise zu verstehen. Die Piratenpartei ist in dieser Beziehung wesentlich weiter als alle anderen Parteien, auch wenn sich dies bisher weder im Programm noch in der öffentlichen Wahrnehmung fest gesetzt hat.

Was mir noch am Herzen liegt... Krieg und Frieden


Abgesehen von Geld liegt mir die weltweite geopolitische Situation am Herzen. Seit den Terrorgesetzgebungen, die nach den Anschlägen auf das World Trade Center verabschiedet wurden, hat sich die weltpolitische Lage stark verändert. Überwachung und Zensur sind, trotz zeitweiliger Rückschläge, in allen Ländern auf dem Vormarsch. Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre sind in einer vom Datenhunger der Konzerne und staatlichen Institutionen geprägten Welt nur noch leere Worthülsen. Die Militarisierung der Polizei, selbst wenn in anderen Ländern weiter fortgeschritten als bei uns, ist eine Gefährdung der Demokratie, in Deutschland, in Europa und insbesondere auch in den USA. Bei der zu erwartenden schweren, noch schwereren Wirtschafts- und Finanzkrise droht die Konfrontation zwischen Polizei und Bevölkerung, und es muss sichergestellt werden, dass die Bevölkerung durch die Polizei geschützt, und nicht bedroht wird.

Doch in Bezug auf Geopolitik geht es nicht nur um die Wirkung globaler Akteure auf unser aller Leben, es geht nicht zuletzt auch um die Kriegspolitik der westlichen Länder und die Mission, auf der sie sich befinden. Amerikanische und europäische Soldaten sind überall auf der Welt stationiert. Sie werden präsentiert als Überbringer von Demokratie und Menschenrechten, dabei läge Eroberer von Resourcen und Verteidiger von Wirtschaftsinteressen wesentlich näher an der Wahrheit. Warum leugnen wir diese Zusammenhänge so gerne? Weil wir uns nicht eingestehen wollen, dass unser Wohlstand nicht zuletzt den Verbrechen des Westens bei den Aggressionen gegenüber souveränen Staaten geschuldet ist? Vielleicht weil wir nicht wahrhaben wollen, dass deutsche Soldaten sterben müssen, weil Zentralasien zentral für die Machtverteilung zwischen Russland, China und den USA respektive der westlichen Zivilisation ist?

Deutsche Soldaten sterben nicht, weil irgendwo ein paar Terroristen in Höhlen hocken und unsere Freiheit, unsere Sicherheit bedrohen. Sie sterben nicht, weil Frauen in anderen Ländern weniger wert sind als Männer, weil Menschen unterdrückt und von uns befreit werden - obwohl sich das natürlich viel besser verkaufen lässt. Nein, Deutsche sterben am Hindukusch, weil die weiten Steppen Kasachstans, Kirgistans, Tadschikistans, Usbekistans und all der anderen Nationen in nahen und fernen Osten unermesslich reich an Resourcen sind, und alle globalen Akteure um Zugang zu diesen ringen.

Ich sage hier nichts, was nicht jeder weiss oder wissen könnte. Ich sage nur das, was ein Politiker von heute niemals auszusprechen wagt. Wer glaubt den wirklich, die Staatschuldenquote, die deutsche oder irgendeine andere, würde in Zukunft wirklich sinken? Wer glaubt daran, dass unsere Kinder nicht auf einem Berg Schulden sitzen bleiben, den sie niemals zurückzahlen können, dem sie niemals entkommen können – es sei denn, dass System bricht irgendwann zusammen? Wer glaubt tatäschlich daran, dass wir einfach so weiter machen können wie bisher, und die Dinge sich schon irgendwie regeln werden? Wer glaubt wirklich daran, dass, wenn es so weiter geht wie bisher, wenn sich nichts ändert, es jemals Frieden geben kann im Nahen Osten, in Korea, in Afrika?

Solange Finanz- und Machtinteressen die Aussenpolitik und den Einsatz des Militärs dominieren, solange ist jede Hoffnung auf einen Kurswechsel fehlgeleitet. Ich vermute, auch vor den letzten beiden Weltkriegen haben viele sich eingeredet, dass sich alles schon regeln würde, dass das alles nicht ganz so schlimm kömmen würde. Aber wenn ich von den "letzten beiden" rede, heisst dass nicht, dass es nicht noch mehr geben kann. 
 

Wo unsere Zukunft liegt... Europa


Die heute herrschende Situation in Griechenland ist dem europäischen Gedanken unwürdig, und angesichts teilweise bürgerkriegsähnlicher Zustände und dem wachsenden Elend ist der Friedensnobelpreis für die EU nur eine Karikatur. Die Selbstbeweihräucherung einer Bürokratie, die mit ihrem Wirken im Namen der europäischen Einheit und des europäischen Friedens immer öfter und immer stärker an jene totalitären Regime erinnert, die uns in der Vergangenheit heimgesucht haben. Auch wenn ich noch immer eine nicht unwesentliche Distanz zwischen ihnen sehe: Die Richtung, in die dieser Kontinent dank der europäischen Bürokratie steuert, stimmt nicht, und es wird Zeit für einen Kurswechsel. Hin zu mehr Transparenz, mehr Beteiligung, mehr Mitbestimmung, hin zu mehr Subsidarität, zu mehr Partizipation, zu mehr Demokratie. Hin zu einer EU, die Bottom-Up, und nicht Top-Down funktioniert. Europa ist unsere Zukunft, aber es muss ein freies, demokratisches, und einiges (nicht vereinigtes) Europa sein. Der europäische Frieden ist vielleicht die größte zivilisatorische Erungenschaft in der Geschichte dieses Kontinents, vielleicht sogar in der Geschichte der Welt. Ihn zu bewahren ist, und Gerechtigkeit zwischen den europäischen Völkern walten zu lassen, ist unsere Verpflichtung vor der Geschichte. Das ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam erfüllen können.

Epilog


Es gäbe noch viel zu sagen. Es gäbe noch viel zu schreiben. Es gibt noch viel mehr zu tun. Irgendwann muss einmal schluss sein mit den Worten, und wir müssen anfangen zu handeln. Auch wenn es aussichtslos ist, auf einen Platz im Bundestag zu hoffen, so werde ich mich doch bis zum Abend des 22.9.2013 dieser Realität bewusst verweigern. Bis dahin, und auch darüber hinaus, werde ich immer wieder versuchen, in kleinen Schritten, mit Worten und Taten, die Welt zu verändern in der ich lebe – hin zu einer Welt in der ich leben will. Letztendlich erschaffen wir alle, gemeinsam, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, in jeder Sekunde, die Welt in der wir leben. Es liegt an uns, diese anders zu gestalten und uns neuen Wegen, neuen Perspektiven, neuen Möglichkeiten zu öffnen. Wir müssen nur den Mut haben, die Zukunft anders zu denken als wir es aus der Vergangenheit gewohnt sind. Wir müssen den Mut zur Veränderung haben.

"Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte. "
Gustav Heinemann